Das Abgeordnetenhaus von Berlin

Mein Schülerpraktikant Jurek Hartung recherchierte während seines 2-wöchigen Praktikums zu den politischen Institutionen von Berlin. Hier ist sein Bericht.

Das Berliner Parlament sitzt im Abgeordnetenhaus von Berlin. Es ist zuständig für die Gesetzgebung des Landes, für die Regierungsbildung in Form der Wahl eines Bürgermeisters und für die Kontrolle der Regierung bzw. des Senats. Wählen darf jede*r deutsche Staatsbürger*in , die*der schon drei Monate in Berlin lebt und volljährig ist. Gewählt wird im Regelfall alle fünf Jahre. Außerdem ist es ein Halbtagsparlament. Im Parlament sitzen verschiedene Fraktionen bestimmter Parteien. Um ins Parlament zu kommen, muss man demokratisch gewählt werden. Im Parlament sitzen: Die SPD mit 38 Sitzen, die CDU mit 31 Sitzen, B90/Grüne mit 27 Sitzen, Die Linke mit 27 Sitzen, die FDP mit 12 Sitzen und die AfD mit 22 Sitzen. Außerdem sitzen im Parlament drei fraktionslose Abgeordnete, die von der AfD-Fraktion ausgeschlossen wurden. Es gibt verschiedene Gremien im Abgeordnetenhaus. Das sind einmal das Präsidium mit dem Parlamentspräsidenten und seinen Vertreterinnen, der Ältestenrat und verschiedene Ausschüsse. Im Abgeordnetenhaus gibt es sogenannte Plenarwochen. In diesen Wochen sind immer donnerstags Plenarsitzungen. Bei diesen Plenarsitzungen gibt es am Anfang die „Aktuelle Stunde“, dabei werden von den Fraktionen vorgeschlagene Themen besprochen. Anschließend gibt es eine Fragestunde, bei der die Senator*innen von den Abgeordneten befragt werden. Dann kommt der Prioritätenblock, für den jede Fraktion einen Verhandlungsgegenstand vorschlagen kann.

Im Abgeordnetenhaus gibt es auch viele verschiedene Ausschüsse. Wenn im Plenum ein Antrag in einen Ausschuss überwiesen wurde, dann wird dieser Antrag dort besprochen und für den Beschluss im Plenum vorbereitet. Also müssen Abgeordnete oft zu Sitzungen, Terminen, Beratungen oder anderen Veranstaltungen.

Im Berliner Parlament gab es schon viele verschiedene Koalitionen z.b. unter Klaus Wowereit SPD+PDS, SPD+CDU oder unter Eberhard Diepgen CDU+FDP. Im Parlament werden auch Gesetze beschlossen. Das läuft so ab, dass es einen Gesetzesentwurf gibt, der entweder von einer Fraktion, von der Regierung oder als Volksbegehren eingereicht wird. Dann wird dieser vom Ältestenrat in die Tagesordnung einer Plenarsitzung eingefügt und dort besprochen. Im Anschluss wird er dann in den zuständigen Ausschuss weitergeleitet und dort nochmal besprochen. Gegebenenfalls kommt er dann mit einer Empfehlung des Ausschusses zurück ins Plenum und im Idealfall wird da dann beschlossen, dass das gut ist.

Der Senat

An der Spitze des Senats steht der regierende Bürgermeister. Gerade ist das Michael Müller. Dann gibt es verschiedene Senator*innen, die für verschiedene Themen zuständig sind, z.b. die Wirtschaftssenatorin Ramona Pop oder den Senator für Justiz und Verbraucherschutz Dirk Behrendt.. Der Senat hat die Aufgabe zu regieren. Die Senator*innen werden vom Regierenden Bürgermeister ernannt.

Staatssekretär*innen sind die höchsten Beamt*innen einer Senatsverwaltung. Sie bilden die Schnittstelle zwischen politischen Organen und der nicht politischen Beamtenschaft. Außerdem sind sie immer für einen bestimmten Bereich zuständig und unterstehen den Senator*innen.

Die Grünen

Die Grünen legen einen sehr großen Wert auf die Quote. Das bedeutet, dass sie es wichtig finden mindestens einen „fifty-fifty“ Anteil an Männern und Frauen in ihrer Partei bzw. Fraktion zu haben. Das ist für sie sehr wichtig, da sich die Partei für Gleichberechtigung einsetzt.

Die Berliner Grünen-Politikerin Antje Kapek war zuerst in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in Friedrichshain-Kreuzberg, wo sie später zusammen mit Daniel Wesener Vorsitzende der Grünen Bezirksfraktion wurde. 2011 wurde sie dann ins Abgeordnetenhaus von Berlin gewählt. Anschließend wurde sie 2012 gemeinsam mit Ramona Pop Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus. Ende des Jahres 2016 wurde sie wiedergewählt und bestreitet dieses Amt seitdem zusammen mit Silke Gebel.

Sobald man als Fraktionsvorsitzende*r gewählt wurde ist man automatisch Teil des Fraktionsvorstands. Das bedeutet, dass man die Fraktion leitet, indem man in Fraktionssitzungen die Moderation übernimmt oder falls die eigene Fraktion in einer Koalition ist, man auch zu den Koalitionsverhandlungen geht und seine Fraktion vertritt.

Veranstaltungsbericht “ Das Erbe der 68er“


Im neuen taz- Gebäude fand am 20.11.2018 die Veranstaltung zum Erbe der 68er statt. Mit einem bunt gemischten Publikum aus Jung und Alt startete die Diskussion des reinen Frauenpodiums und entwickelte sich zu einem spannenden Austausch. Durch den Abend führte Antje Kapek die Diskussionsteilnehmerinnen, die zwischen Wissenschaft, Politik und Aktivismus angesiedelt waren oder sind. Mit Gretchen Dutschke war eine ehemalige Aktivistin zu Gast, die selbst auch ein Buch über die 68er-Bewegung geschrieben hat und spannende Einblicke in die Zeit damals geben konnte, aber auch viel zu aktuellen politischen Ereignissen beisteuern konnte. Eine wissenschaftliche Perspektive stellte Ilse Lenz, sie ist Soziologin und Expertin für Frauenbewegungen weltweit und hat unter ihren vielen Veröffentlichungen auch ein Buch zur deutschen Frauenbewegung mit hunderten von kommentierten Originalquellen veröffentlicht. Stefania Vittori ist politische Aktivist*in und Student*in der Politikwissenschaften und hat für das Gunda Werner Institut die Veranstaltung „Decolonize 1968er!“ mit organisiert. Ricarda Lang ist Sprecherin der Grünen Jugend, die sich bei ihrem letzten Bundeskongress mit Utopien sowie linken Gesellschaftsentwürfen beschäftigt hat.

Die 68er haben unsere Gesellschaft freier gemacht und für eine bessere Zukunft gekämpft. Von ihrem positiven Weltveränderungsflair zehren wir heute noch, andere Errungenschaften sind inzwischen wieder bedroht oder werden in Frage gestellt. Als Grüne ist es als unsere Aufgabe, das Erbe der 68er zu verteidigen und ihren Kampf gegen starre Strukturen, überholte Traditionen und Diskriminierung fortsetzen. Gerade jetzt, wo der Ruf von Rechts wieder lauter wird und eine rechtsextreme Partei in allen deutschen Parlamenten sitzt. Oftmals werden Parallelen gezogen zwischen damals und heute, gerade im Jahr des 50. Jubiläums. Es lohnt sich daher, die 68er und ihr Aufbegehren besser zu verstehen, aber vor allem auch darum ihren Kampf in die heutige Zeit zu übertragen.

Dabei macht es Sinn auch auf die Lücken in der Geschichtsschreibung zu schauen. Gerade marginalisierte Positionen, wie die von schwarzen Frauen oder Sinti und Roma im Kampf gegen Aubeutung und politische Unsichtbarkeit. Dabei waren die 68er keine rein Weiße, studentische Bewegung, wie Stefania Vittori klarstellte. Auch migrantische Kämpfe von Gastarbeiter*innen prägten die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Inspiration kam auch den schwarzen Kämpfen in den USA oder internationaler Solidaritätsbekundungen im Zuge des Vietnamkriegs, es herrschte ein reger Austausch zwischen den verschiedensten Bewegungen. Ilse Lenz betonte die internationale Verknüpfung von Frauenkämpfen, die sich stark an der Frage ausrichtete, wie man gemeinsam leben will und insbesondere die Verknüpfungen zwischen Sexismus und Rassismus unter die Lupe nahm. Auch die Entwicklung von Utopien und utopischen Narrativen für heutige politische Kämpfe sei relevant um gesellschaftliche Veränderung hervorzubringen, wie Ricarda Lang erklärte. Die Diskutantinnen waren sich einig, dass eine kritische Positionierung zu neoliberalen und kapitalistischen Gesellschaftsentwürfen wichtig für zukünftige Auseinandersetzungen ist, besonders auch im Hinblick auf erstarkende rechte Kräfte. Zu Ende betonten alle Diskussionsteilnehmerinnen wie wichtig es ist, radikal für eine verbindliche, soziale Gesellschaft einzustehen. In den heutigen neoliberalen Zeiten äußerten viele Stimmen aus dem Publikum eine Angst vor dem Älterwerden und vor dem Wegfall sozialstaatlicher Sicherheiten und Auffangmechanismen. Durch gemeinsame Utopien als gesellschaftlicher Anker könne hier gemeinschaftlicher Zusammenhalt wieder aufgebaut werden.

Herzlichen Dank an die wunderbaren Diskussionsteilnehmerinnen und das interessierte und zahlreiche Publikum!

Wir brauchen ein neues „Wir“-Gefühl

Ein Beitrag zum Tag der Deutschen Einheit 2018.

Berlin feiert in diesen Tagen 28 Jahre deutsche Wiedervereinigung.
Blicke ich zurück auf meine eigene Biographie, dann sind das 14 Jahre West-Berlinerin eingemauert in einer Stadt, in der es keine spontane Fahrt ins Grüne gab. Dafür aber Wohnungsnot, Smog in den Wintermonaten, Grenzkontrollen und tote U-Bahnhöfe. Das war das erste Drittel meines Lebens als Ur-Berlinerin und Kreuzbergerin.

Die folgenden 28 Jahre sind wiederum gekennzeichnet vom Wandel in Berlin. Beginnend damit, dass sich Niemand für meine pubertären Eskapaden interessierte, weil die ganze Stadt nur über Begrüßungsgeld, Beate Uhse, überfüllte U-Bahnen und leere Supermärkte sprach. Über eine Transformation innerhalb von wenigen Monaten, die die eine Seite überforderte und die andere überrollte. Die Biographien zerstörte und gleichzeitig so viele neue Chancen auftat, dass Subkulturen entstanden und Scharlatane ihr Unwesen treiben konnten. Kurz: Berlin war und ist seit fast 30 Jahren im Wandel und steht wie keine andere Stadt für ihre schmerzhaften und gleichzeitig faszinierenden Brüche. Berlin war und ist ein Sehnsuchtsort für Menschen, die sich auf vielfältigste Art verwirklichen wollen. Aber gerade die Jahre nach der Wende boten Freiräume, die viele Kieze auf den Kopf stellten und ein neues Berlin entstand. Mitte wurde zum Zentrum der Clubkultur, der Prenzlauer Berg zum nationalen Symbol für Gentrifizierung. Das ehemals hippe Charlottenburg litt unter dem Aufmerksamkeitsdefizit und ehemalige Bezirke in Randlage wie Treptow, Neukölln oder der Wedding wurden urplötzlich zur Innenstadt. Brüche und Umbrüche, Bezirksfusion und Sparen bis es quitscht haben unser aller Leben in den letzten Jahren geprägt.

Aber knapp 30 nach dem Fall der Berliner Mauer stehen wir heute erstmals an einem Punkt, an dem es nicht mehr Ost und West Berlin gibt. Berlin ist heute eine wachsende Stadt, die in die Zukunft investiert. Aber sie ist nicht mehr geteilt.
Wo einst Menschen auf der Flucht in der Spree ertranken fährt heute die U1 über die Oberbaumbrücke. Die jüngeren und zugezogenen Menschen wissen gar nicht mehr so genau, wo die Mauer überhaupt stand und zentrale Orte wie der Hackesche Markt, der Breitscheit Platz oder der Alex sind so stark verändert, dass sie nicht mehr für das alte, sondern für das neue Berlin stehen. Doch schaut man auf unser Land, dann gibt es bis heute große soziale und ökonomische Ungerechtigkeiten. Die Aufgabe Ost und West zu verbinden, ist nicht erledigt. Statt blühender Landschaften gibt es strukturschwache Regionen. Wo der Staat sich zunehmend aus der Verantwortung zieht und damit das Rückgrat unserer Demokratie schwächt: Funktionierende Kommunen mit Bibliotheken, Schwimmbädern, Grünflächen, Schulen und Kitas. Ein Staat muss sich um Bürger*innen kümmern. Im Osten gibt es aber noch immer weniger Rente, Lohn und Sozialleistungen als im Westen. Das sind Gräben, die wir füllen müssen, damit wirklich zusammenwächst, was zusammen gehört.

Wir brauchen ein neues „Wir“-Gefühl. Nur mit euch und nur miteinander, das muss unsere Lösung sein. Das gilt für Ost und West genauso wie für Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen. Berlin ist die Stadt dafür. Eine Stadt, die heute durch ihre Offenheit und Toleranz die ganze Welt fasziniert. Auch dieses Jahr erinnert uns der 3. Oktober an eine Zeit, in der Demokratie und Freiheit keine Selbstverständlichkeit waren, sondern bloß ein weit entfernter Traum. ‚Einigkeit‘ bedeutet für mich nicht, dass wir alle einer Meinung sein müssen. Es bedeutet nicht, dass wir alle die gleichen Vorstellungen und Ideen von der Zukunft teilen. Das politische Berlin lebt von Meinungsvielfalt und einer regen Streitkultur. Die Menschen haben sich schon immer eingemischt, gemotzt, gemeckert und demonstriert. Das ist Berlin und auf dieses Engagement sind wir stolz. Vor 28 Jahren haben tausende Menschen friedlich auf den Straßen für ihre Bürger*innenrechte protestiert. Meine Freiheit, unser aller Freiheit haben wir ihnen zu verdanken. Ihre Proteste und Errungenschaften haben meine Stadt entscheidend geprägt und prägen sie bis heute.

Aber auch hier sind immer mehr Menschen frustriert. Gewalt und Hetze gewinnen an Raum und Zuspruch. Deshalb ist es heute wichtiger denn je Stellung zu beziehen und mit einer klaren Haltung am 13.10.2018 auf die Straße zu gehen, um ein Zeichen für unsere Demokratie und gegen die Teilung der Gesellschaft zu setzen. So wie die friedlichen Revolutionäre vor 28 Jahren. Wir radikalen Demokrat*innen können zusammen Mauern einreißen – damals die aus Beton. Heute, die in den Köpfen.