Meine Rede in der Aktuellen Stunde zum Thema Verkehrssicherheit (20.06.2024)

Am Donnerstag habe ich in der Aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus zur Verkehrssicherheit in Berlin geredet. Zugleich wurde unser Antrag, den wir gemeinsam mit der Links-Fraktion unter dem Titel „Raser-Stopp am Tauentzien“ eingereicht haben, behandelt. Unser Ziel ist es Berlin auf den Pfad der Vision Zero – also dass es keine Verkehrstoten mehr gibt – zu bringen.

Die vollständige Rede findet ihr hier (Min. 6:20 bis 16:58).

Berlin – die Hauptstadt der Raser. Wann werden Geschwindigkeitsüberschreitungen konsequent verfolgt?

Aktuell betreibt die Berliner Polizei 36 stationäre Blitzanlagen und 83 mobile Messanlagen, darunter 21 Radarwagen, 56 Handlasermessgeräte und 6 Geschwindigkeitsmessanhänger zur Überwachung von Rasern.

Doch davon verstaubt ein Großteil im Keller und wird aktuell nicht genutzt. Das zeigt meine Anfrage an den Senat. Die mobilen Messgeräte waren im vergangenen Jahr durchschnittlich 1:55 Stunden am Tag im Einsatz, das entspricht nicht einmal 8% der möglichen Einsatzzeit. Die zahlreichen Handlasergeräte werden nur 1,35% der Zeit genutzt, das sind nicht einmal 20 Minuten am Tag. Wie viel davon an möglicherweise defekten Geräten liegt, dazu schweigt der Berliner Senat.

Auch kein Wort mehr zu den 2021 von der Senatsverwaltung versprochenen 60 neuen Blitzern. Lediglich 8 neue Blitzer wurden seitdem angeschafft. Im vergangen Jahr wurden lediglich zwei neue stationäre Geräte in Betrieb genommen, 2022 kein einziges. Eine Erweiterung des Bestands sei auch 2024 und 2025 „nicht beabsichtigt“.

Warum auch? Die Innenverwaltung begnügt sich mit dem aktuellen Stand der Geschwindigkeitsüberwachung. Für die aktuellen Auslastungsquoten vergibt sie sich selber die Schulnote „Ausreichend“. Einen Anlass für eine Ausweitung der Verkehrsüberwachung gebe es nicht. Doch dafür, dass ein Blitzgerät oft mehr als 23 Stunden am Tag im Schrank rumliegt und das Versprechen von 60 neuen Blitzanlagen gebrochen wurde, kann es nur ein „Mangelhaft“ geben.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Großteil der mobilen Blitzer der Berliner Polizei im Keller verstaubt. Dabei sind gerade die mobilen Blitzer effektiv und erwischen Raser da, wo sie es nicht erahnen können. Es zeigt sich wieder einmal, dass Verkehrssicherheit unter schwarz-rot nur ein Lippenbekenntnis bleibt. Auch im bundesweiten Vergleich bekommen Raser in Berlin einen Freifahrtschein. Denn es geht es nicht um Kavaliersdelikte. Raser*innen brettern mit mehr als 80 km/h über Höchstgeschwindigkeit durch die Stadt und gefährden dabei sich und andere. Jedes Jahr gibt es tausende Unfälle durch nicht angepasste Geschwindigkeit. Im schlimmsten Fall enden diese tödlich. Anstatt aufzurüsten, kaputte Geräte zu reparieren und vor allem Schwerpunktkontrollen durchzuführen, wiegelt die Innenverwaltung ab. Dabei wäre die Ausweitung von Verkehrskontrollen ein Gewinn für die Sicherheit und zugleich für den Landeshaushalt. Geld das dringend für die Aufstockung des Personals der Bußgeldstelle und den verkehrssicheren Umbau der Stadt benötigt wird. Gerade die mobilen Blitzanlagen sind eine Goldgrube. Schon jetzt werden mehr als 83% der Einnahmen bei Geschwindigkeitsüberschreitung nach Anzeigen durch die mobile Messgeräte erzielt.

Es ist bedauerlich, dass die Verkehrssicherheit für den Berliner Senat keine Priorität hat. Damit duldet die Innensenatorin, dass Berlin weiterhin Hauptstadt der Raser bleibt!

Bußgeldstelle Berlin – zu viele Raser und zu wenig Personal

Die Leistungsfähigkeit der Bußgeldstelle sinkt weiter, immer mehr Raser entgehen der Polizei trotz Blitzerfoto. Denn statt 200 neuer Stellen, wie von Gewerkschaften und der Polizei selbst gefordert, verliert die Bußgeldstelle ihr Personal. Bis 2029 arbeiten bei anhaltender Personalentwicklung und Pensionsabgängen nur noch 231 von aktuell 312 Personen für die Bußgeldstelle, inklusive Altersabgängen.

Dabei sind unbesetzte Stellen noch nicht einmal eingerechnet: Auf meine diesbezügliche parlamentarische Anfrage verweigert der Senat die Antwort – und bricht damit das verfassungsmäßige Auskunftsrecht des Parlaments. Es ist grundsätzlich möglich und wurde in der Vergangenheit auch gehandhabt, dass der Senat den tatsächlichen Anteil an besetzten Stellen angeben kann und damit auch muss.

Dass so viele Stellen wegfallen, liegt besonders an der Einstellungspraxis des Senats. Immer mehr Arbeit wird an befristet Beschäftigte ausgelagert. Diese sogenannten Beschäftigungspositionen (BePo) sind im Gegensatz zu dauerhaften Stellen nur auf wenige Jahre angelegt und sollen eigentlich nur “nicht dauerhafte Aufgaben” erfüllen. Gleichzeitig stapeln sich die unbearbeiteten Vorgänge: Über 50.000 Verfahren mussten 2023 eingestellt werden, weil innerhalb von drei Monaten kein Bescheid verschickt werden konnte; das waren zwölf Prozent mehr als noch 2022.

Hier dazu mein Kommentar:

“Immer mehr Raser und Verkehrsraudis gehen der Polizei durch die Lappen. Die zuständige Bußgeldstelle ist chronisch unterbesetzt und muss jährlich zehntausende Verfahren einstellen. Obwohl Gewerkschaften und die Polizei selbst einen Bedarf von 200 neuen Stellen sehen, droht in den kommenden Jahren jede vierte Stelle wegzufallen. Damit bricht der Senat sein Versprechen einer handlungsfähigen Polizei im Bereich der Verkehrssicherheit. Gleichzeitig verweigert der Senat die Antwort über unbesetzte Stellen und bricht damit das Auskunftsrecht des Parlaments. Damit untergräbt der Senat erneut das demokratische Recht des Parlaments, angemessen informiert zu werden.”

Was tut der Senat wirklich für den Autoverkehr?

Drastischer Rückgang des Autoverkehrs auf Berliner Straßen!

Während die Bevölkerung in Berlin zunehmend ansteigt, zeigen Datenerhebungen, dass Staustunden und Autoverkehr in derselben Zeit signifikant zurückgehen. Dies geht aus meienr Anfrage „Was tut der Senat wirklich für den Autoverkehr?“ hervor. Für Berlin ist das eine gute Nachricht!

Staustunden

Im Vergleich zum Jahr 2021, in dem zum ersten Mal Daten zu Dauer und Länge der einzelnen Stauereignisse in Berlin erhoben wurden, ging bereits zwei Jahre später im Jahr 2023 die Staulänge um gut 15% zurück. Im Jahr 2022 sind es sogar nur knapp 75% des Ausgangswertes. Und das trotz und mit Corona-Effekt.

Entwicklung Autoverkehr

Gleichzeitig verzeichnen wir auf den Berliner Straßen durchgehend einen drastischen Rückgang des Kfz-Verkehr. Im Vergleich zu 2015 wurde an fast ausnahmslos allen Messpunkten deutlicher Rückgang der gezählten Kfz verzeichnet.

Selbstredend lässt sich ein sehr deutlicher Corona-Knick im Verkehrsaufkommen im Straßenverkehr in 2021 feststellen.

Aber selbst 2023 bleiben die Zahlen auf Corona-Niveau, in Teilen gehen sie sogar noch einmal weiter runter – und das sogar bis zu 50 Prozent im Vergleich zu 2015, wie das Beispiel der Prenzlauer Promenade oder der östliche Teil der Torstraße zeigt. Das ist faktisch eine Halbierung des Verkehrs!

Aber selbst dort, wo nicht diese Spitzenwerte erreicht werden, wurde ein Rückgang von etwa einem Viertel gemessen, wie beispielsweise in der Seestraße, der Müllerstraße, dem Halleschen Ufer oder gar der Straße des 17. Juni, um nur einige ausgewählte Beispiele zu nennen.

Die Verkehrswende wirkt!

Der flächendeckende Rückgang des Straßenverkehrs zeigt ganz deutlich: Die in den vergangenen Jahren angeschobene Verkehrswende wirkt. Immer mehr Berlinerinnen und Berliner steigen vom Auto auf andere Verkehrsarten um.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung stellt sich darüber hinaus umso mehr die Frage, auf welcher Grundlage der Senat Projekte wie die Planung von Radwegen oder Straßenbahnprojekten mit dem Argument „diese würden den Autoverkehr ausbremsen“ verhindern will, wie an der Torstraße oder der Leipziger Straße. Denn das Argument, man bräuchte eine höhere Leistungsfähigkeit für den Autoverkehr, bei gleichzeitig sinkendem Kfz-Aufkommen ist nicht haltbar. Die Zahlen legen das exakte Gegenteil nahe.

Umbau der Berliner Infrastruktur

Darüber hinaus hat der Berliner Senat aber außer vielen Ankündigen reichlich wenig für den Umbau Berlins getan. Weder wurden bislang Grüne Wellen für den Straßen-, Fuß- oder Radverkehr eingerichtet, noch zusätzliche Stellplätze geschaffen – nicht einmal die dringend benötigten Park+Ride-Plätze für die Berliner Wirtschaft.

Aber auch der Zustand der Berliner Straßen Infrastruktur ist besorgniserregend. Alleine der Sanierungsbedarf für Brücken liegt bei beruhigenden 75%. Für vorhandene Schlaglöcher oder deren Sanierungsbedarf wird nicht einmal eine eigene Statistik geführt.

Alles in allem lässt sich hier ablesen, dass der Handlungsbedarf enorm ist. Außer großen Ankündigungen an dieser Mammutaufgabe aber wenig gearbeitet wird.

Für uns ist klar: Eine Beschleunigung des öffentlichen Nahverkehrs sollte vor dem Hintergrund der allgemeinen Verkehrsentwicklung den absoluten Vorrang haben. Hierfür ist es ausgesprochen ärgerlich, dass nicht nur keine neuen Busspuren geschaffen, sondern die vorhanden abgeordnet werden.

Aber auch der Sanierungsbedarf spricht eine deutliche Sprache: Besser erstmal den Bestand wieder ertüchtigen, bevor man sich an die nächsten Milliardenschweren Großprojekte macht.

Zusammenfassend lässt sich sagen:

Die Verkehrsentwicklung in Berlin, ist in den letzten 9 Jahren massiv zurückgegangen. Die Reduktion von bis zu 50% des Kfz-Verkehr sind eine großartige Nachricht für alle, die auf den Berliner Straßen unterwegs sind. Sie zeigt aber auch, dass eine reine Fokussierung der CDU-Verkehrspolitik auf die Leistungsfähigkeit für Kfz pure Ideologie ist, die die Verhinderung von Tramstrecken oder Radwegen begründen sollen. Gerade an den großen Hauptstraßen, an denen Fahrstreifen zugunsten von Radwegen umgewandelt wurden – beispielsweise am Tempelhofer und Halleschen Ufer, ging der Autoverkehr massiv zurück. Die Vermutung, dass durch Radwege mehr Stau entstehen würde, ist anhand der Zahlen klar widerlegt. Die aktuellen Zahlen machen deutlich, dass die reale Verkehrsentwicklung der schwarz-roten Verkehrspolitik einen großen Schritt voraus ist: Denn das Ergebnis der Datenerhebung zeigt ganz klar: Die Verkehrswende wirkt!

Der Senat muss endlich seine Auto-First-Politik stoppen und faktenbasierte Verkehrspolitik jenseits von Autobahn und Schnellstraßen machen. Berlin ist mittendrin in der Verkehrswende, diesen Trend gilt es zu unterstützen, statt zu torpedieren!