Willkommensarchitektur statt Massenunterkünfte

Sicheres Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Und so sind auch angemessene Unterkünfte für Geflüchtete in Berlin ein wesentlicher Baustein für eine gelungene Integration.
Zur Zeit ist die Unterbringung der Geflüchteten jedoch oftmals desaströs. Die Menschen müssen zu lange in provisorischen Erstaufnahme-Einrichtungen bleiben. Daher muss Berlin schnell neue Wohnungen bauen. Ein Baustein für diese Neubauoffensive sind die „modularen Unterkünfte.“
Der Berliner Senat plant an circa 90 Standorten Container oder Modularbauten als Unterkünfte für Flüchtlinge, kurz „MUFs“, zu errichten und verspricht durch Fertigbauteile aus Stahlbeton kostengünstige und schnelle Errichtung von Unterbringungsmöglichkeiten.

Aus Fehlern lernen – Aus Provisorium Heimat machen

Doch wir wissen auch: Nichts ist so dauerhaft wie ein Provisorium. Viele Flüchtlingsunterkünfte der Nachkriegsjahre, die nur für eine kurze Nutzung gedacht waren, stehen noch heute. Fehler, wie sie in vielen Großstädten in den letzten Jahrzehnten bei der schnellen Unterbringung von Einwanderer*innen gemacht wurden, dürfen sich nicht wiederholen. Vielmehr sollten wir aus den positiven und negativen Erfahrungen der Stadtentwicklung im letzten Jahrhundert lernen. Unser Ziel ist die Schaffung einer neuen Willkommensarchitektur!

Als Grüne Fraktion im Abgeordnetenhaus haben wir den Planungsprozess für die MUFs kritisch begleitet und viele Vorschläge gemacht, wie Quartiere entstehen können, in denen die Menschen nicht nur untergebracht werden, sondern sich auch zu Hause fühlen können.
Deshalb dürfen nicht nur die Wohnungen geplant, sondern es müssen Quartiere entwickelt werden. Platz für soziale Infrastruktur und auch Gewerbe sowie auch ökologische Standards müssen von Anfang an mitgedacht werden.

Dezentrale Standorte – gemischt und verteilt

Wir setzen uns für kleinere und dezentrale Unterkünfte ein. Standorte für 50 bis 200 Menschen – statt der bis zu 500 und mehr Menschen wie vom rot-schwarzen Senat vorgesehen – sind schneller und auch kostengünstiger zu errichten. Dafür könnten zusätzlich Baulücken und auch unkonventionelle Flächen genutzt werden.

Als Bauweise bevorzugen wir Fertighäuser aus Holz- statt aus Betonmodulen. Diese sind preiswerter und nachhaltiger. Ihre Errichtung ist sogar schon in drei Monaten möglich. Der Bau der vom Senat geplanten Betonmodule soll mindestens ein halbes Jahr dauern. Auch für den Brandschutz der Fertighäuser aus Holz ist gesorgt, wie Beispiele aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zeigen.

Die Senatspläne sind zu langwierig, zu teuer und überhaupt nicht nachhaltig. Wir werden deshalb Druck machen, dass unsere alternativen Vorschläge aufgegriffen werden.
Mittlerweile hat die Landesebene angekündigt den Bezirken die Zuständigkeit zu entziehen – Das ist blanker Aktionismus des Senats!

Geflüchtete Menschen: #Willkommen überall in Berlin!

Bündnis 90/Die Grünen setzen sich für die Unterbringung geflüchteter Menschen in ganz Berlin und auch in Marzahn und Hellersdorf ein. Mit der Entscheidung über die Standorte der neuen Unterkünfte hat der Senat Planungssicherheit für die Bezirke und die Helfer*innen vor Ort geschaffen.

Das kann aber nur der erste Schritt sein. Wir brauchen nicht nur eine bessere Abstimmung mit den Bezirken, sondern auch wesentlich mehr neue Unterkünfte und neue Wohnungen sowie eine echte Willkommensarchitektur, die Integration ermöglicht.

@GESOBAU AG, Thomas Rosenthal, AKP Architekten Kauschke + Partner.
@GESOBAU AG, Thomas Rosenthal, AKP Architekten Kauschke + Partner
@ Hansjörg Pohlmeyer
@ Hansjörg Pohlmeyer

Ich habe mich und werde mich auch im weiteren Planungsprozess für kleinere und dezentrale Unterkünfte einsetzen. Unterkünfte für 50 bis 200 Menschen statt der bis zu 500 und mehr Menschen wie vom rot-schwarzen Senat vorgesehen, sind schneller und auch kostengünstiger zu errichten. Dafür könnten zusätzlich Baulücken und auch unkonventionelle Flächen genutzt werden. Als Bauweise bevorzuge ich Fertighäuser aus Holz- statt aus Betonmodulen. Diese sind preiswerter und nachhaltiger. Für ihre Errichtung werden meist nur drei Monate benötigt. Die Errichtung der vom Senat geplanten Betonmodule soll mindestens ein halbes Jahr dauern. Auch für den Brandschutz der Fertighäuser aus Holz ist gesorgt, wie Beispiele aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zeigen.

Damit Integration gelingen kann, wollen wir Zivilgesellschaft und künftige Bewohner*innen bei der Gestaltung der neuen Quartiere miteinbeziehen. Wir wollen Projekte zur Selbsthilfe und zur Qualifizierung von Geflüchteten in Zusammenarbeit mit Architekt*innen und der Wohnungswirtschaft initiieren. Hier ist die Zivilgesellschaft schon sehr aktiv. Wir wollen dieses ehrenamtliche Engagement ermöglichen und fördern.

 

Hier findet ihr das gemeinsame Statement mit dem Kreisverband Marzahn-Hellersdorf:

http://www.gruenemarzahnhellersdorf.de/2016/gefluechtete-menschen-wir-sagen-willkommen-in-marzahn-und-hellersdorf/

Positionspapier: Willkommensarchitektur statt Massenunterkünften

Die Schaffung neuer Unterkünfte für Geflüchtete ist einer der wesentlichen Bausteine für eine
gelungene Integration. Vor dem Hintergrund der teilweise desaströsen Unterbringungsbedingungen in
den Erstaufnahmeeinrichtungen ist es schnellstmöglich geboten, die Menschen in akzeptable
dauerhafte Wohnverhältnisse zu bringen. Meine Forderungen und Lösungsansätze findet ihr in meinem Positionspapier Willkommensarchitektur statt Massenunterkünften.

Massenunterkunft in Tempelhof – Chancen verbaut

erschienen am 08.02.2016 auf www.causa.tagesspiegel.de

Ende Januar hat die rot-schwarze Koalition die Änderung des sogenannten Tempelhof-Gesetzes beschlossen. Damit ist die Errichtung der größten Massenunterkunft für Geflüchtete in Deutschland besiegelt. Als Grüne im Berliner Abgeordnetenhaus haben wir diese Gesetzesänderung abgelehnt. Berlin muss endlich umsteuern und auf Integration setzen.

Das bislang erfolgreichste Volksgesetz in der Geschichte Berlins hat tiefe Risse bekommen. Im Schnellverfahren haben SPD und CDU eine Änderung des Tempelhof-Gesetzes durchs Parlament gepeitscht, um auf dem alten Flughafengelände weitere dringend benötigte Flüchtlingsunterkünfte errichten zu können. So lautet zumindest die offizielle Erzählung der rot-schwarzen Koalition. Nennenswerte Diskussionen oder eine vernünftige Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger, die beim Tempelhofer Volksentscheid 2014 abgestimmt haben, gab es nicht.

Dieses Vorgehen mag rechtlich in Ordnung sein – politisch ist es höchst problematisch. Allzumal eine Änderung nicht nötig gewesen wäre: Auch ohne eine Gesetzesänderung hätten weitere Geflüchtete rund um das Flughafengebäude untergebracht werden können.

Dass SPD und CDU dennoch so großen Wert darauf gelegt haben, das Gesetz aufzuweichen, lässt nichts Gutes ahnen. Der Eindruck verfestigt sich, der Senat wolle hier eine dauerhafte Aufweichung des Tempelhof-Gesetzes durch die Hintertür durchsetzen.

Aber nicht nur das Volksgesetz hat Rot-Schwarz nun ausgehebelt. Auch Mindeststandards für die Flüchtlingsunterbringung gelten für Tausende Menschen nicht mehr, die bald zusätzlich in Tempelhof leben sollen. Offiziell handelt es sich hier zwar um eine Notunterkunft. Faktisch harren jedoch in der vermeintlichen Notunterkunft Tempelhof viele Tausende seit Monaten aus. Unhaltbare Zustände werden zum Dauerzustand.

7000 Menschen sollen künftig im Tempelhofer „Flüchtlingsdorf“ leben – auf engstem Raum und weitgehend unter sich. Schon jetzt gibt es weder ein Mindestmaß an Privatsphäre in den Hangars noch ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten. Die hygienischen und sanitären Bedingungen sind weiterhin inakzeptabel. Glaubt wirklich jemand, dass unter diesen Voraussetzungen der Ausbau zu einer Massenunterkunft verantwortungsvoll ist?

SPD und CDU sind bis heute ein Integrationskonzept schuldig geblieben. Dabei wird es in den nächsten Jahren unsere größte Aufgabe sein, die Neuankömmlinge Teil unserer Gesellschaft werden zu lassen. Stattdessen denkt der Senat weiterhin in fragwürdigen Einzellösungen für Flüchtlinge. So soll auf dem Vorfeld eine Sportfläche eigens für Geflüchtete entstehen, statt wenige Meter weiter auf dem eigentlichen Tempelhofer Feld einen Ort zu schaffen, an dem Geflüchtete etwa mit Vereinen aus der Umgebung gemeinsam Sport treiben könnten. Gleiches gilt etwa auch beim Thema Kinderbetreuung und Schule.

Die jetzige Situation erfordert schnelle Notlösungen, doch der Ausnahmezustand darf nicht zum Normalzustand werden. Unser aller Ziel muss es sein, dass die Menschen nach wenigen Wochen in angemessene Unterkünfte ziehen.

Der Senat sollte endlich mehr Energie darauf verwenden, alternative Unterbringungen zu prüfen und freizugeben. So könnte der Senat etwa spekulativen Leerstand in Gewerbeimmobilien beschlagnahmen oder die von Bezirken und Bund angebotenen Liegenschaften übernehmen. Dies würde eine bessere Verteilung in der ganzen Stadt ermöglichen. Zudem sollte das LaGeSo künftig die Unterbringung in Privatwohnungen ermöglichen und fördern. Viele Berlinerinnen und Berliner wollen helfen und bieten ein Zimmer an. Bis heute ist diese Unterbringungsform aber nicht anerkannt.

Doch zurück zu Tempelhof: Auch hier müssen Mindeststandards gelten. Momentan leben jedoch zwölf Personen auf gerade einmal 25 Quadratmeter. Es fehlen Rückzugsräume, Schränke, Tische, Stühle. Außerdem müssen die Sanitäranlagen dringend verbessert werden. Das Mindeste wären etwa ausreichende Waschmöglichkeiten und fließendes Wasser – und im besten Fall: warmes!

Bis heute gibt es nicht einmal eine Machbarkeitsstudie, die darlegt, ob es überhaupt möglich ist, 7000 Menschen in Tempelhof unterzubringen. Völlig unklar ist auch, wie viel Zeit dafür nötig wäre und was dies kosten würde. Daher muss der Senat klarstellen, was überhaupt im Bereich des Machbaren liegt und welche Maßnahmen dafür nötig wären.

Ja, die Flüchtlingsunterbringung ist eine Kraftanstrengung, die Berlin nur gemeinsam bewältigen kann. Dafür ist es wichtig, dass die Politik die Bürgerinnen und Bürger mitnimmt. In Tempelhof hat Rot-Schwarz mit seinem übereilten Handeln unnötig Misstrauen gegen die Politik gesät. Der Senat hat nun zumindest die Chance, dies ein Stück weit wieder gut zu machen.

Wir fordern einen Beirat aus Politikern und Bürgern,der die Belange im Zusammenhang mit der Nutzung des Feldes behandelt. Damit ließe sich nicht nur ein menschenunwürdiges „Verwahren“ von Geflüchteten ausschließen. Es wäre ein Zeichen. Ein Zeichen, dass die Berlinerinnen und Berlin mitentscheiden können und sollen.

Text abrufbar unter: https://causa.tagesspiegel.de/massenunterkunft-in-tempelhof-chancen-verbaut.html