Nach Tempelhof-Volksentscheid: Bürgerdialog und soziale Wohnungspolitik

Der Volksentscheid zum Tempelhofer Feld war erfolgreich – der Masterplan des Senats ist somit Geschichte. Nun brauchen wir eine Wende in der Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik, aber auch endlich eine neue Berliner Beteiligungskultur.

Berlin hat dem Senats-Masterplan für Tempelhof eine klare Absage erteilt und die Abstimmung ist auch ein klares „Nein“ zu Klaus Wowereits Politikstil. Stadtplanung geht nur im Dialog mit den Berlinerinnen und Berlinern. Denn das Votum der BerlinerInnen könnte eindeutiger kaum ausfallen: In allen Bezirken wurden die Senatspläne als weniger attraktiv bewertet als der Gesetzesentwurf der Tempelhof-Initiative. Das zeigt, dass das Feld keineswegs nur die Anrainer-Bezirke bewegt, sondern die gesamte Stadt. Die Koalition muss sich nun von ihrer gescheiterten Politik der Großprojekte verabschieden, denn kaum jemand traut Rot-Schwarz nach dem BER-Debakel solche Projekte noch zu.

Der Wowereitsche Senat hat zudem durch das skrupellose Ignorieren des Volkswillens im Vorfeld der Wahl über das Tempelhofer Feld Millionen an Steuergeldern vernichtet. Eigensinnige Planungsverfahren, Architektenwettbewerbe, Werbekampagnen und Gerichtsverfahren haben mehr als neun Millionen Euro gekostet. Auch die SPD gibt zu, dass die Planungen heute nutzlos sind und damit das Geld sinnlos verpufft ist. Aber auch diese Summe scheint noch nicht das endgültige Ausmaß der Verschwendung abzubilden.

Dass die direkte Demokratie in Berlin gut funktioniert, hat der erfolgreiche Volksentscheid zu Tempelhof gezeigt. Doch dieser Volksentscheid ist auch eine Reaktion auf die schlechten – als „Beteiligung“ bezeichneten – Info-Veranstaltungen, die den Tempelhof-Masterplan des Senats begleitet haben. Die Bürgerinnen und Bürger müssen stattdessen schon an den Prozessen beteiligt werden, direkte und mitberatende Demokratie sollten aufeinander aufbauen und miteinander verzahnt sein. Denn Beteiligung beginnt schon mit der Bereitstellung und Aufbereitung von Information. Ein Dialog auf Augenhöhe ist dabei das gemeinsame Ziel.

Dass die SPD jetzt endlich auch über das Thema Beteiligung sprechen möchte, ist zu begrüßen. Wie wenig weit dies trägt, zeigt sich dann aber gleich wieder in dem Vorschlag die Bewerbung Berlins für die Olympischen Spiele einzig mittels einer Volksbefragung klären zu wollen. Reine Ja/Nein-Fragen können aber komplexe Debatten nicht ersetzen.

Die Stadt braucht eine soziale, ökologische und demokratische Stadtentwicklungspolitik für alle Menschen in Berlin. Dazu gehören auch Nachverdichtung und Wohnungsneubau. Dieser allein reicht aber nicht aus. Ohne eine konsequente Bestandspolitik, wird günstiger Wohnraum schneller verschwinden als neuer gebaut werden kann.

Bestehenden Wohnraum zu nutzen und Möglichkeiten Neuen zu schaffen gibt es in Berlin reichlich. Allein durch das Verbot von Ferienwohnungen können bis zu 12 000 Wohnungen kurzfristig bereitstehen. Dazu müsste der Senat auf den Bestandsschutz bis 2016 verzichten und die Bezirke in die Lage versetzen, das Gesetz auch umzusetzen. Bezahlbarer Wohnraum geht zudem insbesondere in den Innenstadtbezirken durch die ungebremste Umwandlung von günstigen Miet- in teure Eigentumswohnungen verloren. Daher fordern wir seit langem die Umwandlungsverordnung vom Senat.

Doch statt auch diese Instrumente der Bestandspolitik zu nutzen, setzt der Berliner Senat allein auf Neubau. Allerdings ist der vom Senat aufgelegte Neubaufonds mit jährlich 1000 geförderten Wohnungen ein Tropfen auf den heißen Stein und muss verdoppelt werden. Indem Investoren Baurecht schaffen, verdienen sie viel Geld durch die Wertsteigerung des Grundstücks. Wir wollen deshalb, dass Berlin diese mittels städtebaulicher Verträge auch für einen Anteil sozialen Wohnraums in die Pflicht nimmt. Alternativ könnte Berlin Investoren die für sozialen Wohnungsbau vorgesehene Grundstücksteile abkaufen und den gemeinwirtschaftlich orientierten, landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zur Verfügung stellen. München hat mit diesem Vorgehen gute Erfahrungen gemacht. So kann sozialer Wohnraum dauerhaft geschaffen werden.

Berlin verfügt über deutlich mehr Freiflächen als viele andere deutsche Metropolen. Nur fehlt eine Priorisierung für die Grundstücke, die zuerst für eine Bebauung in Frage kommen. Gut an den Nahverkehr angebundene Grundstücke sollten beispielsweise Vorrang vor schlecht angebundenen Flächen am Stadtrand bekommen. Wenn das transparent dargestellt wird, können Konflikte wie beim Tempelhofer Feld vermieden werden. Großes Potenzial sehen wir auch bei der Umwandlung leerstehender Gewerbeflächen in Wohnraum – das birgt auch weniger Konflikte als bei Grünflächen oder Kleingärten.